Rapsfest auf dem Land

Jazz und Ramen in der Stadt –

Vielfalt des Nordens

Es ist Sonntag, und gerade reisen wir mit 300 Sachen im Hayabusa Shinkansen nach Tokyo; da die Strecke aber doch etwas länger ist, bleibt Zeit für einen letzten Bericht von Hokkaido.

Wie geplant fuhren wir gestern nach Sapporo, aber als uns die Gastgeberin des Himawari Cottage Inns beim Frühstück von einem Raps-Festival berichtete, das nahezu direkt auf dem Weg nach Sapporo lag, wollten wir den kleinen Umweg in Kauf nehmen. Raps scheint ja jetzt nichts wahnsinnig Spannendes zu sein, aber die Japaner haben ja gern die verrücktesten Ideen, das durften wir uns nicht entgehen lassen. Vor Ort war der Parkplatz schon sehr gut gefüllt, also schien es sich hier wirklich um eine Festivität größeren Ausmaßes zu handeln. Auf dem eigentlichen „Festplatz“ mussten wir erstmal lachen: Ein kümmerliches Rapsfeld von vielleicht 15 Meter Breite und Länge. Darin: Mengen von Japanern, die wie wild Fotos schossen. Da haben wir natürlich gleich mitgemacht, das gehört sich ja wohl so für einen Touristen, der sich für die Kultur und Tradition eines Landes interessiert!

Nach diesem ersten Höhepunkt war aber noch lange nicht Schluß – das Nanohana (Rapsblüte) Festival erwies sich als wahrer Geheimtipp für jeden Fan des leicht absurden: Nebst einer Reihe von Ständen, an denen man alle möglichen Erzeugnisse und Leckereien kaufen konnte, die irgendwie mit Raps zu tun hatten, konnte man noch vor einem riesigen Raps-Herz Fotos von sich mit seinen Liebsten schießen lassen.

Außerdem gab es eine Bühne, auf der eine Moderatorin, die wie die verschollene japanische Zwillingsschwester der Jakob Sisters aussah, versuchte, die Massen zu unterhalten.

Dies gelang ihr nur mäßig, und so begab sie sich ins Publikum, um durch etwas Interaktion die Menge zum Kochen zu bringen. Bei einem schaffte sie das sogar wortwörtlich, denn dummerweise erschreckte sie einen armen alten Herren dermaßen, dass sich dieser seinen Kaffee oder Tee drüberschüttete. Gott sei Dank wurde diese tätliche Belästigung dann doch von einer wirklich tollen Vorführung unterbrochen. Eine Trommlergruppe des Militärs durfte ihr Können zeigen, und das war wirklich sehr beeindruckend.

Leider ging dieser Programmpunkt viel zu schnell vorbei, und sofort war der orangetüllige Moderationsknödel wieder am Start. Das ließ uns dann mehr oder weniger schnell die Flucht ergreifen, und wir machten uns auf den Weg nach Sapporo.

Nach der Zeit auf Hokkaido, die mehr von Landschaften denn von Menschenmassen geprägt war, war zumindest mir (Angi) etwas mulmig vor dem Moloch Tokyo, und da bot sich die größte Stadt der Insel als sanfter Einstieg an. Vor Ort war ich dann auch tatsächlich etwas überfordert mit den vielen Menschen und dem Radau (hier sind wirklich überall Lautsprecher, die einem irgendwelche Werbejingles um die Ohren hauen). Trotzdem haben wir uns natürlich ein bisschen was angeschaut: Als erstes den Uhrenturm, der richtig unspektakulär war. Lustiger waren die Leute anzusehen, die sich vor dem Turm positionierten, um ein möglichst tolles Selfie zu schießen; unter anderem auch mit Fotos ihrer Lieblingsboybands dekoriert.

Danach die berühmte Ramen-Gasse, deren winzige aneinandergedrängte Restaurants sich mit Beppu auf Kyushu darum streiten, wer denn die besten Ramen Japans herstellt.

Dort haben wir natürlich auch was gegessen – unsere bisherige Ernährung ist etwas Ramen-lastig, aber in Tokyo essen wir sicher auch mal was anderes, versprochen! Nach dem reichhaltigen Essen stand uns der Sinn nach einem Kaffee, und nach kurzer Suche fanden wir an einem Haus ein Schild mit der Aufschrift „Bossa Cafe“, das sich im zweiten Stock befinden sollte. Daran muss man sich hier auch erstmal gewöhnen: Viele Cafés und Restaurants sind nicht ebenerdig, sondern im Souterrain oder in den oberen Stockwerken versteckt. Beim Betreten des Cafés fühlte man sich wie an einen anderen Ort und in eine andere Zeit versetzt: Eine Wand voll mit Platten, Jazzmusik aus den Boxen, kleine Tischchen, an denen vereinzelt Menschen saßen, in den Jazz versunken oder Zeitung lesend. Die Wände voll mit Autogrammen von Jazzmusikern. Die Kühle der Klimaanlage und kein Geräusch von draußen. Eine kleine Oase inmitten der Geschäftigkeit der Großstadt. Für mich wird die Erinnerung an Sapporo wohl eher mit diesem wundervollen Café verbunden bleiben denn mit den anderen Sehenswürdigkeiten.

Trotzdem mussten wir ja wieder irgendwann in die Realität auf der Straße unten zurückkehren, und so gingen wir mit einem kleinen Abstecher durch den Park (inklusive des beeindruckenden Auftritts des hiesigen Boybandnachwuchses mit dem gloriosen Namen #Snuggs) und dem Versuch, den botanischen Garten der Uni Sapporo zu besuchen (hatte geschlossen) wieder zurück zum Auto. Dabei wurden wir noch spontan von unseren neuen Freunden „Miraitowa“ und „Someiti“ zu den Botschaftern der Olympischen Spiele 2020 ernannt.

Nach der Heimfahrt gings ziemlich bald ins Bett und nach der doch sehr wehmütigen Verabschiedung von unserer liebgewonnen Hütte und den netten Gastgebern mit dem Auto nach Asahikawa, von wo aus wir den Zug Richtung Sapporo nahmen. Umstieg in den Zug nach Hakodate, dort Sprinten zum Shinkansen (ja, auch japanische Züge haben Verspätung!!!) und da sitzen wir immer noch. Um halb zehn kommen wir wohl an. Sofern nicht alles Lüge ist und der Shinkansen sich doch als pünktlichstes Reisemittel der Welt erweist.

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